Ich gebe es zu, ich bin eigentlich ganz froh, dass ich nicht wirklich Thesilée heiße. So viel zu buchstabieren! Und dann auch noch der Akzent - muss der jetzt nach links? Oder nach rechts? Und wie muss ich das jetzt aussprechen? Als ich mich irgendwann um 1998 herum vor meinen Freuden aufbaute und sagte »Ich möchte, dass ihr mich von jetzt an Thesilée nennt, da war es kein Wunder, dass sie mich auslachte. »Das klingt ja wie Teesieb!«, sagten sie, und danach war die Sache vom Tisch. Ich zog den Antrag zurück und blieb Maja, und auch wenn ich immer bedauert habe, niemals einen Spitznamen zu besitzen, und auch wenn Leute immer Bienenwitze machen mussten und dieses Lied von Karel Gott singen, ist das ein Name, den ich sehr mag, und unter dem ich berühmt zu werden gedanke.
Dass ich in zweiter Instanz doch noch zu Thesilée wurde, verdanke ich einer Fehlinformation. Esteban ist schuld, der mich auf meine erste Filkconvention mitnahm. Die ganze Con war ein Geburtstagsgeschenk, vermutlich das beste, das mir jemals ein Freund gemacht hat, und dafür danke ich ihm immer noch - aber er war es auch, der mir sagte, dass beim Filk jeder unter Pseudonym unterwegs ist. »Niemand weiß, wie die anderen in Wirklichkeit heißen«, sagte er, und ich, in der Erwartung, einer Geheimgesellschaft beizutreten, wählte den Namen, der die allerwenigsten Rückschlüsse zuließ auf wie ich wirklich heiße. Und es war doch immer noch ein schöner Name.
Tatsächlich gibt es im Filk viele, die unter ihren Badgenames bekannter sind als unter ihren richtigen Namen, aber es gibt immer noch genug, die ihre richtigen Namen benutzen, und auch bei denen, die Pseudonyme benutze, kennt man doch in den meisten Fällen die richtigen Namen - spätestens, wenn man ihre Facebook-Freundschaftsanfragen annimmt. Ich hätte also von Anfang an Maja bleiben können. Dass ich es nicht getan habe, ist letztlich ein Glücksfall. So kann ich trennen, nicht zwischen Filk und Berufsleben, aber zwischen Musik und Schreiberei. Ich mache unter meinem richtigen Namen schon so viel, dass der Name sich auch mal erholen können muss.
Darum werde ich im Filk immer Thesilée bleiben. Der Name ist einzigartig, hat Wiedererkennungswert, und wird erstaunlich oft richtig ausgesprochen: Selbst Amerikaner, die bei der Schreibweise von Maja mit Jott nie wussten, was sie daraus machen sollten, bis ich daran gewöhnt war, auf alles zu reagieren, was irgendwie mit einem M anfing - Myrna, Moira, Mia - sprechen Thesilée auf Anhieb richtig aus - das macht der Akzent, da denkt man gleich »Französisch!«, und schon ist man da. Gut, manche machen auch Sse-ssi-lie draus, aber damit kann ich besser leben als mit Myrna. Die korrekte Aussprache lautet also TEE-sie-LEE. Wie mans spricht. Denkt an Teesieb, und ihr seid schon halb da.
Aber woher stammt der Name nun? Manchmal behaupte ich, es ist die Abkürzung für »Enjoy The Silence«, aber das stimmt nicht. Der Name geht zurück auf die Amazonenkönigin Penthesilea. Nicht, dass ich zu der ein besonders inniges Verhältnis hätte, aber es ist doch ein schöner Name. Er ist mir eingefallen, als ich während meiner Buchhandelsausbildung Reclam-Hefte ausgepackt habe, einen riesigen Haufen, und dabei das gleichnamige Drama von Kleist so von einem anderen Heft überdeckt war, dass nur »Thesile« zu lesen war. Noch ein E hintendran, und ein Akzent drauf, fertig war der Name. Und das schönste ist, damit habe ich jetzt endlich auch einen Spitznamen. Alle, die mich etwas besser kennen, nennen mich Thesi, und wenn es eine Sache gibt, auf die ich wirklich gerne höre, ist es das - es ist freundlich, es ist persönlich, und vor allem ist es eines: Ein Name. Mein Name. Und dabei bleibt es.
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